Leben wir an einem Wendepunkt?

Mit dieser Frage fuhr ich am letzten Freitag nach Stade. Anlass war ein Instagram-Post des Kunsthaus Stade, bei dem das Museum auf die Ausstellung
Jacoba van Heemskerck. Kompromisslos modern – aufmerksam machte.
Die niederländische Künstlerin war Teil der Berliner Sturm-Bewegung, deren Gründer Herwarth Walden im Jahr 1919 von einer (Kunst)Wende sprach.
„Jacoba van Heemskerck lebte vor 100 Jahren zu einer Zeit, in der das alte Weltbild des Wilhelminischen Kaiserreichs und das der Kirche erschüttert wird. Die Anthroposophie Rudolf Steiners, die Theosophie und auch okkulte Verbünde wie die der Geheimlogen suchen nach einem neuen Zugang zur Wirklichkeit.“
Quelle siehe Website
Kunst gilt als visionär. Und offenkundig suchten Künstlerinnen wie Jacoba van Heemskerck, ähnlich wie Hilma af Klint, in okkulten Praktiken Inspiration für ihr Schaffen.
Hierzu schreibt das Kunsthaus Stade:
„Van Heemskerck befasste sich intensiv mit ihren (anthroposophischen und theosophischen) Theorien und ist selbst in diesen Bewegungen aktiv. Wie heute unter anderen Vorzeichen, ging es darum, die weltlichen Zusammenhänge und das Menschsein neu zu definieren.“
Die Künstlerin suchte nach dem was hinter der äußeren Natur lag.
„Eine Welt aus Licht, Energie, Farben und Formen, die von einer Verbindung allen Lebens zeugt.“ (Quelle siehe Website)

Jacoba van Heemskerck hatte nur eine kurze Zeit des Schaffens. 1923 verstarb sie und schien danach, wie viele Künstlerinnen ihrer Zeit, an Bedeutung verloren zu haben.
„Nicht zuletzt möchte die Ausstellung eine fast vergessene Künstlerin der Moderne wieder in das öffentliche Bewusstsein rücken.“ (Quelle siehe Website)
Ebenso wie Jacoba van Heemskerck leben auch wir heute in unruhigen Zeiten. Und alle Welt redet von Wandel. Großen, radikalen Veränderungen.
Wer will da nicht mal in eine Glaskugel schauen, um zu sehen, was die Zukunft mit sich bringt…?
Das Kunsthaus Stade lud ausstellungsbegleitend die Hamburger Wahrsagerin Esmeralda Blume, die in fünfter Generation Karten legt und aus der Hand liest, ein, den Besucher*innen einen Einblick in ihre Zukunft und Visionen für die Welt zu gewinnen.

Esmeralda Blume ist die Tochter der legendären Wahrsagerin Hilde Rosenberg.
„Ihr Überleben führte Mama Blume, wie sie allgemein genannt wurde, letztendlich darauf zurück, dass sie Wachmännern der SS aus der Hand las und ihnen eine positive Zukunft voraussagte.“
Wikipedia
Schon morgens um zehn Uhr standen die Menschen in Stade Schlange vor Esmeraldas Zirkuswagen. Und auch ich reihte mich ein. (Aus Recherchegründen…)

Esmeralda fragte mich als erstes, ob sie mir alles sagen kann. Das Gute, so wie das Schlechte. „Nein“, erwiderte ich spontan. Ich weiß genau, dass ich mir die ganze Zeit nur den Kopf darüber zerbrechen würde, wann das Übel denn eintreffen würde.
„Ich kann etwas über Vergangenheit, Gegenwart und die Zukunft sagen“, erklärt mir Esmeralda, während ich neunzehn Wahrsagekarten aus dem ausgebreiteten Kartenfächer zog.
Esmeralda stellte mir keine Fragen, sondern erzählte was sie sah. „Schließ mit der Vergangenheit ab.“ Ja. Das wird Zeit. „Du hast die beste Liebeskarte gezogen.“ Auf jeden Fall. „Werden alle in deiner Familie so alt?“ Eher nicht. „Du wirst auf jeden Fall über neunzig.“ Das habe ich befürchtet.
Vor allem sagte Esmeralda, dass ich Zeit habe! Ein Segen…
Warum mich das Ganze beschäftigt?
Vor einiger Zeit erzählte mir ein älterer Herr von seiner Mutter, die ihren Lebensunterhalt in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts als Astrologin bestritt. Sie gab in Form von Briefen Rat und Unterstützung und hat, der Legende nach, nebenbei aufstrebenden Tennisstars zu ihrer Karriere verholfen.
Diese Geschichte wurde zur Inspiration für meine Mehrgenerationentrilogie
„Modern Blavatsky“, wofür ich ein Zukunftsstipendium der Stadt Hamburg bekommen habe.
Die echte Helena Blavatsky lebte vor über hundert Jahren und gründete die Theosophische Gesellschaft. Sowohl Rudolf Steiner, Aleister Crowley, als auch der Literaturpreisträger William Butler Yeats gehörten zu ihren Anhängern.
Meine moderne Blavatsky lebt in den 1980ern und versucht ihre Familie mittels astrologischer Beratung über die Runden zu bringen. Ist es der Zufall, oder das Schicksal, dass die Mauer just dann fällt, als Tereza Blavatsky dieses voraussagt?

Mit diesem ersten Satz beginnt meine Geschichte.
Nur die Sterne wissen, wie sie weitergeht…
Die Ausstellung Jacoba van Heemskerck. Kompromisslos modern
könnt ihr noch bis zum 06.02.2022 besuchen.
Auf, auf ins Kunsthaus Stade!
